Masodas Flucht auf der Bühne

Luckauer Theaterloge probt im neuen Haus ihr Stück „Willkommen in Brandenburg“

 In der künftigen Kleinkunstbühne im alten Museum lernen Calvin, Masoda, Soraia und Julia (v.l.) gemeinsam den Text für das Stück "Willkommen in Brandenburg", in dem es um das Thema Flüchtlinge geht. Foto: be


In der künftigen Kleinkunstbühne im alten Museum lernen Calvin, Masoda, Soraia und Julia (v.l.) gemeinsam den Text für das Stück „Willkommen in Brandenburg“, in dem es um das Thema Flüchtlinge geht.
Foto: be

Noch sind nicht alle Umzugskisten ausgepackt. Doch die Luckauer Theaterloge probt in den neuen Räumen im früheren Museum an der Langen Straße 71 schon intensiv für ihr nächstes Stück. „Willkommen in Brandenburg“ erzählt die Geschichte von Flüchtlingen wie Masoda und Soraia, afghanischen Schwestern, die selbst zu Akteuren werden.

Im ehemaligen Ausstellungsraum des alten Museums im Erdgeschoss proben Masoda (15) und Soraia (13) mit ihren deutschen Freunden Calvin und Julia den Text, bevor die anderen kommen. Seit November gehören die Flüchtlingsmädchen aus der Gemeinschaftsunterkunft in Zützen zum Ensemble. In dem Raum, in dem sie ihr neues Stück vorbereiten, will die Theaterloge künftig eine Kleinkunstbühne etablieren. Auch andere Künstler und Vereine sollen sich dann dort präsentieren. Noch ist es nicht soweit, aber ein gewaltiges Stück Arbeit haben die Vereinsleute mit vielen Helfern in dem seit Jahren leer stehenden alten Museumsgebäude bereits geschafft. Auch der Vater der beiden Schwestern packte mit an.

So wurden im Erdgeschoss Fußböden erneuert, teils Wände neu verputzt, die Toiletten wurden saniert. „Besonders viel zu tun war unterm Dach, wo die Naturkunde-Ausstellung ihren Platz hatte“, sagt Theaterleiterin Gabi Schönig. Mengen von Bauschaum und Schutt mussten geborgen und heruntergetragen werden. Doch die Mühe habe sich gelohnt. „Wo Füchse standen, werden jetzt unsere zahlreichen Kostüme untergebracht“, so die Theaterleiterin.

In einem zweiten Bauabschnitt soll auch der Saal im Obergeschoss wieder nutzbar werden. „Eigentlich ist er völlig in Ordnung“, sagt Gabi Schönig. Doch es fehlt der vorgeschriebene zweite Rettungsweg. Er soll über einen Wanddurchbruch und eine Treppe zum Hof hergestellt werden, wenn der Verein das Geld dafür zusammenhat.

Für Masoda und Soraia, die Schwestern aus Kabul, ist eine fehlende Feuertreppe wohl ein Luxusproblem. Im Stück „Willkommen in Brandenburg“ wird auch die Geschichte der Mädchen und ihrer Familie erzählt. Vor dem Terror der Taliban geflüchtet, führte sie eine jahrelange Odyssee durch mehrere Länder, bis sie schließlich in Zützen Schutz und Obdach fanden.

Durchs Spiel zur Sprache

Die Eltern hätten sie ermutigt, bei der Theaterloge mitzumachen, um Deutsch zu lernen, sagt Masoda. Hier lache niemand, wenn sie etwas falsch machten. Sie hätten neue Freunde gefunden, ergänzt ihre Schwester.

„Ich möchte die Sprache lernen, um erklären zu können, warum wir hier sind. Für ein besseres Leben und Sicherheit“, sagt Masoda. Was in Köln passierte, sei schlecht. „Doch ich möchte, dass die Menschen verstehen: Es sind nicht alle Ausländer so. Es gibt unter uns so viele begabte Leute“, so die 15-Jährige.

Todesangst auf dem Meer

Als die Jugendlichen der Theaterloge zum ersten Mal die Fluchtgeschichte der Schwestern hörten, hatten manche Tränen in den Augen, erinnert sich Calvin. Über Pakistan, den Iran, die Türkei nach Griechenland habe der Weg die Familie geführt. Sie hätten gehungert und in kalten Behausungen gelebt, wo die Mutter die Kleider verbrennen musste, weil es sonst nichts zum Heizen gab. Nachts auf dem Meer fiel der Motor des Schlauchbootes aus. Die Familie hatte Glück, es gelang, das Boot wieder zu starten. Doch die Todesangst werden die Mädchen nie vergessen.

In „Willkommen in Brandenburg“ kann das Publikum auf einer Karte den Weg nachvollziehen, sagt Gabi Schönig. In der Rahmenhandlung fertigt eine Studentin der Politikwissenschaften eine Filmdokumentation an, die das Thema Flucht auf verschiedenen Ebenen beleuchtet. So spielt eine Szene auf dem Wochenmarkt, wo die Menschen über „die mit den Kopftüchern“ tratschen, beim näheren Kennenlernen aber merken: Eigentlich sind sie ganz nett. An anderer Stelle sitzen Flüchtlingskinder in der Schule, verstehen kein Wort. „Wie sich das anfühlen muss, wird durch einen Perspektivwechsel erlebbar gemacht. Jetzt spricht der Lehrer persisch, und die deutschen Schüler können nicht folgen“, sagt die Theaterleiterin. Dargestellt würden ebenso die Formularflut, durch die sich Zuwanderer kämpfen müssen und Politiker, die viele Worte machen, ohne was zu tun.

Calvin sagt, die Meinungen zur Flüchtlingspolitik seien gespalten, und es sei falsch, jemanden, der Ängste äußert, gleich zum Neonazi abzustempeln. Doch gelernt habe er durch die gemeinsame Arbeit auch: „Manches sieht man mit anderen Augen, wenn man die Betroffenen kennt.“


Quelle: lr-online